Jahrestagung Bau 2024
Nachhaltige Lösungen für mehr Zukunft im Bausektor sind gefragt. Die 7. Jahrestagung für Baurecht und Baustandards lieferte spannende Antworten sowie Denkanstöße aus der Praxis.
Bei der Jahrestagung Bau von Austrian Standards gehen renommierte Expertinnen und Experten den brennenden Fragen der Branche nach. Der diesjährige Event am 04. Dezember 2024 stellte die Frage in den Mittelpunkt, wie der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, digitaler Transformation und Nachhaltigkeit gelingen kann.
Die wichtigste Erkenntnis vorneweg: Herausforderungen, wie Klimawandel und digitale Transformation lassen sich nur meistern, wenn alle an einem Strang ziehen. Und: Gemeinsam kann – und muss – die Baubranche Großes bewirken.
Moderator Martin Hehemann, Chefredakteur, Österreichische Bauzeitung, führte durch das Programm. Bei der Begrüßung betonte Karl Grün, Director Standards Development bei Austrian Standards International, dass die Entwicklung von nachhaltigen Innovationen und die Umsetzung der digitalen Transformation viele Fragen aufwirft. Umso mehr freue ihn das große Interesse an der Jahrestagung Bau, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und Antworten zu finden.
Learnings aus der Praxis
Katharina Kothmiller, Architektin DI & Geschäftsführende Partnerin, nonconform und Markus Zilker, Architekt & Gründer eins:eins, präsentierten in ihrer Keynote unter dem Titel „Planen und Bauen für 100 Jahre?“ die Learnings aus konkreten Projekten. So haben zehn Architekturbüros 28 ihrer Neubauprojekte ökobilanziert und verglichen.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Kooperation, welche Probleme und Herausforderungen die Berechnung der Ökobilanz machen kann, wo ihre Grenzen liegen und warum die beiden Vortragenden manches Projekt kein zweites Mal so planen würden, stellten Kothmiller und Zilker anschaulich dar. Beide zeigten sich überzeugt, dass der Klimawandel und seine Folgen die größten Aufgaben der Menschheit seien, die wir nur gemeinsam meistern können.
Europäische Wirtschaft: Fokus und Schwerpunkte
Aus europäischer Perspektive präsentierte Tim Joris Kaiser, stv. Leiter Wirtschaft und Soziales, Berater für wirtschaftspolitische Koordinierung der Europäischen Kommission, die Prioritäten der europäischen Wirtschaftspolitik in den nächsten Jahren. Welche Weichen die Europäische Kommission bereits gestellt hat und wie der Green Deal zum Clean Industrial Deal gewandelt werden soll, stellte Kaiser ebenso dar, wie die Auswirkungen auf die österreichische Bauwirtschaft und welche Entwicklungen sie zu erwarten hat.
So wurde deutlich, dass der Fokus der Europäischen Kommission in den kommenden fünf Jahren auf der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und dem Abbau von Abhängigkeiten liegen wird. Dass Bauen und Wohnen für die Kommission eine bedeutende Rolle spielen, zeige sich im neu geschaffenen EU-Kommissar für Energie- und Wohnungswesen.
„Grüne“ Finanzierung, Gesetze und Normen
Im ersten Faktencheck ging es um „Green Law“ und welche neuen Rahmenbedingungen die Branche zu erwarten hat. Wie sich die Finanzierung von Immobilien unter der EU-Taxonomie-Verordnung verändern wird, zeigte Stefan Rufera, Partner, KPMG Austria, auf. Was es von der Europäischen Bauprodukteverordnung und einer OIB-7 zu erwarten gibt, erörterte Peter Maydl, Univ.-Prof.i.R., Zivilingenieur für Bauwesen. Insights in die Arbeit des Komitees 271 Nachhaltigkeit von Bauwerken präsentierte Alexander Passer, Univ.-Prof. TU Graz, Vorsitzender Komitee 271 Nachhaltigkeit von Bauwerken.
Dabei zeigte sich in allen Vorträgen eine Gemeinsamkeit: Die neuen Vorgaben und Gesetze stellen alle Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Für den digitalen, nachhaltigen Wandel sind sie aber unbedingt notwendig, um Rechtssicherheit und Orientierung zu schaffen.
Hürden und Grenzen der Ökobilanzierung
Anschließend stellte Faktencheck #2 die Nachhaltigkeitsdimensionen auf den Prüfstand. Hildegund Figl, Forschung & Vorstand IBO Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie, Vorsitzende Arbeitsgruppe 02 Bewertungsmethoden und Bilanzierungsregeln, präsentierte, wie sich Umweltwirkungen von Bauwerken und Baustoffen quantifizieren lassen und wo die Grenzen liegen. Rund um das Thema Bauproduktedatenbank und Digitaler Produktpass erläuterte Otto Handle, Geschäftsführung Inndata Datentechnik, welche Daten benötigt werden und welchen Nutzen diese haben.
Caroline Palfy, CEO Loud 4 Planet, sprach über die Erfordernis der fachübergreifende Zusammenarbeit für eine wirkende Kreislaufwirtschaft. Bernadette Luger, Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen Stadt Wien, präsentierte, welche Schritte im Rahmen des Programms „DoTank Circular City Wien 2020-2030“ gesetzt werden, um den Übergang von einem linearen System hin zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu unterstützen und wo Herausforderungen liegen. Mit Best Practices und Leuchtturmprojekten, wie „Green Bricks“ oder das Projekt „Reuse Ziegelwand“, zeigte Johannes Kislinger, Gründer und Geschäftsführer ah3 Architekten ZT Gmbh, einige von vielen Hoffnungsschimmern aus der Praxis.
Neue Geschäftsmodelle
Nach der Mittagspause ging es weiter mit Simon Eisenschink, Projektingenieur & Energie-Effizienz-Experte, Jung Eco Building Solution, der über THG-reduzierte Gebäude im Lebenszyklus sprach und deren Nutzen und Machbarkeit unter die Lupe nahm. Digitalisierung im Planungs- und Bauprozess stand im Zentrum der Präsentation (PDF – 5 MB) von Wolf-Dietrich Denk, Geschäftsführung FCP.
Eine wahrlich außerirdische Innovation präsentierte Markus Dörfler, CEO AUGMENTERRA GmbH. Er stellte eine Methode zur Bodenbeobachtung und Analyse von Bodenbewegungen vor, die mit Satellitenbildern arbeitet. Über neue Geschäftsmodelle durch die Kreislaufwirtschaft sprach anschließend Harald Mezler-Andelberg, Geschäftsführung Lindner (Österreich) und zeigte auf, welches große Potenzial das Konzept „Mieten statt Kaufen“ in der Bauwirtschaft hat.
Müssen an einem Strang ziehen
Zum Schluss gingen Gerald Beck, Geschäftsführung Bundesimmobiliengesellschaft BIG, Austrian Real Estate ARE, Martin Aichholzer, Architekt MAGK und Markus Engerth, Unternehmensbereichsleitung & Vorstandsmitglied STRABAG AG, folgenden Fragen in einer Paneldiskussion nach: „Zukunft im Bausektor: Wer macht´s, wer bremst, wem nützt´s?“
Einig war man sich insgesamt, dass es Veränderungen im Mindset braucht, um die Herkulesaufgaben der Gegenwart meistern zu können; dass es nur gemeinsam gehen wird und, dass wir alle global an einem Strang ziehen müssen, wenn es darum geht, unseren Planeten mit seiner Vielfalt für künftige Generationen lebenswert zu erhalten.
Fotos © Austrian Standards/APA Roland Rudolph