6. Baustammtisch

Damit Bestandsgebäude kreislauffähig, energieeffizient und wirtschaftlich saniert werden, braucht es geeignete Innovationen und Technologien. Aber welche Technologien sind wirklich nachhaltig? Oder sollten wir bewährte Methoden und Materialien intelligenter einsetzen? Welche Rolle spielen die EU-Taxonomieverordnung sowie Fördertöpfe für ökonomische und ökologische Sanierungsprojekte? Die Expertinnen und Experten der Diskussionsrunde des 6. Baustammtisches, organisiert von Austrian Standards, gingen am 7. Mai 2024 diesen und weiteren Fragen nach.

Martin Hehemann, Chefredakteur österreichische Bauzeitung, moderierte das spannende Podiumsgespräch unter dem Titel „Bestandsaufnahme Sanierung: Wie schließt sich der ökologische und ökonomische Gebäudekreislauf?“.

Am Podium diskutierten: Aramis Glück, Leiter Fachbereich Baumanagement, Stadt Wien – Wiener Wohnen, Friedrich Idam, Bauforscher, Denkmalbeirat, Karin Kieslinger, Geschäftsführerin, EGW Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft, Caroline Palfy, CEO, LOUD 4 PLANET und Helmut Schöberl, Geschäftsführer, Schöberl & Pöll GmbH.

Die Diskussionsrunde des. 6. Baustammtisches: Aramis Glück, Friedrich Idam, Martin Hehemann, Karin Kieslinger, Caroline Palfy und Helmut Schöberl

Keine Sanierung käme teurer

Einig war man sich am Podium darüber, dass nachhaltiges Bauen und Sanieren angesichts des Klimawandels eine gesellschaftliche Verantwortung sind. Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Immobilienprojekten zu vernachlässigen, würden wir in Zukunft teuer bezahlen müssen. Außerdem herrschte Einigkeit darüber, dass es bei der Umsetzung in die Praxis vor allem an den verschiedenen Berechnungsmodellen hapert. So zeigte sich Karin Kieslinger überzeugt, dass derzeit der Lebenszyklus von Gebäuden wirtschaftlich nicht betrachtet werde. Auch Aramis Glück meinte, dass derzeit keine Kostenwahrheit herrsche, blickte aber mit Zuversicht in die Zukunft. Er ist überzeugt, dass nicht zu sanieren langfristig nicht leistbar sein werde. Helmut Schöberl strich hervor, dass die EU-Gebäuderichtlinie, die nun beschlossen ist, viele derzeit noch offene Fragen klären werde. Die darauffolgende OIB-Richtlinie werde außerdem genaue Vorgaben und Definitionen liefern und so Sanierungsprojekte vereinfachen und fördern.

 

Simple smart buildings – Zeit für Rückbesinnung?

Friedrich Idam und Caroline Palfy sehen die Notwendigkeit für individuelle Lösungen und Schwerpunkte. So gab Friedrich Idam zu bedenken, dass beispielsweise bei der Berechnung des U-Werts von Gebäuden, die Speichermasse nicht einbezogen werde. Damit würden Gründerzeitgebäude mit ihren massiven Ziegelwänden und deren guten Speicherfähigkeit in der Richtlinie benachteiligt. Idam plädierte außerdem für die vermehrte Umsetzung von „simple smart buildings“ – also auf eine Rückbesinnung auf bewährte Technologien und Methoden, deren Auswirkungen erprobt sind, verbunden mit dem Hinterfragen von Bedürfnissen. Caroline Palfy war ähnlicher Meinung. Sie betonte, dass Themen wie Hitzeschutz, Wasserverbrauch oder Technologiebedarf von Gebäuden in der EU-Richtlinie stärker berücksichtigt werden müssen. Individuelle Lösungen seien vor allem bei Sanierungsprojekten weiterhin notwendig, zeigte sich Palfy überzeugt. Dabei seien Standards unverzichtbar, da diese Rechtssicherheit schaffen.

Leistbarkeit und Taxonomie

Ob nachhaltiges Sanieren denn überhaupt leistbar sei, bejahte die Diskussionsrunde, denn das Fördersystem sei gut. Immerhin können je nach Bundesland und Einkommen bis zu 100 % der Sanierungskosten gefördert werden. Auch über die CO2-Bepreisung in der EU-Taxonomieverordnung herrschte Einigkeit, dass sie ein sinnvolles Instrument sei, um nachhaltige Projekte und Materialien zu fördern und eine Gesamtbewertung zu vereinfachen. Die EU-Taxonomieverordnung könne langfristig Kostenwahrheit schaffen – der wichtigste Impuls für Sanierungsprojekte. Grundsätzlich sei Sanierung dem Neubau vorzuziehen, um Ressourcen zu schonen und Geld zu sparen. Denn, werden die Kosten einmal über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und inklusive der Umweltauswirkungen bepreist, werde das Bauen auf der grünen Wiese an Attraktivität verlieren.

Insgesamt waren sich alle Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer auch darüber einig, dass zwar in Sachen nachhaltiges Sanieren noch viele Fragen offen seien, die gegenwärtigen Entwicklungen und Anstrengungen aber durchaus Grund für Optimismus liefern – und darüber, dass Sanierungsprojekte nicht nur ein wichtiger Konjunkturmotor in der Gegenwart, sondern auch eine unverzichtbare Investition in die Zukunft sind.

 

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