1. Baustammtisch

Building Information Modeling (BIM) heißt das vermeintliche Zauberwort für die digitale Bauzukunft. Die digitale Gebäudedatenmodellierung verspricht viel: Planungssicherheit, Effizienzsteigerungen und Kostenersparnisse. Was fehlt? Eine BIM-Bibliothek, in der alle notwendigen Informationen zu 3D-Modellen einheitlich definiert werden. Wie eine „gemeinsame Sprache“ gefunden werden kann, damit BIM nicht der Turm zu Babel wird, war Thema bei der Premiere des Virtuellen Baustammtisches am 7. April 2021.

Austrian Standards lud die Baucommunity am 7. April zum ersten Virtuellen Baustammtisch – gemeinsam mit dem AIT Austrian Institute of Technology, Digital Findet Stadt und Solid Bau. Die Serie der Baustammtische ist eine Fortsetzung des „Dialogforum Bau Österreich“. Das Ziel: aktuelle Themen aus der Baubranche zu diskutieren und den Austausch innerhalb der Baubranche zu fördern. Der Fokus liegt auf der Verbesserung von Bauregeln und Rahmenbedingungen.

Mehr als 250 Baufachleute meldeten sich für den Auftakt an. Mit Building Information Modeling, Merkmalserver und BIM-Properties wurde ein heißes Thema besprochen: die Digitalisierung im Bauwesen. Elf Expertinnen und Experten bildeten das Panel und brachten unterschiedliche Perspektiven zu BIM ein. Durch die Diskussion führte Thomas Pöll, Chefredakteur von SOLID – Wirtschaft & Technik am Bau.

 

Grundlagen schaffen, um Aufwand bei der Anwendung von BIM zu reduzieren

Building Information Modeling vernetzt als innovative Methode alle an einem Bauprojekt Beteiligten – die Planung, Ausführung und das Facility Management. Alle arbeiten mit oder an einem digitalen 3D-Gebäudedatenmodell. Neben den notwendigen technischen Voraussetzungen braucht es dafür eine Grundlage: ein gemeinsames BIM-Vokabular, eine BIM-Bibliothek.

Die sogenannten „BIM Properties“ sind ein wesentlicher Teil der einheitlichen Schnittstellen und Definitionen. Sie legen Merkmale oder Attribute für alle digitalen Objekte fest. So werden in diesen z. B. die Eigenschaften von Fenstern festgehalten, wie Elektroinstallationen funktionieren oder welche Wartungsarbeiten bei einem Objekt zu machen sind.

Eine komplexe Aufgabe, gibt es doch Tausende Produkte und Produktkategorien im Baubereich. Deshalb erfordert eine harmonisierte Beschreibung der „BIM Properties“ einen gut koordinierten Abstimmungsprozess. Austrian Standards hat mit den Innovationspartnern AIT Austrian Institute of Technology und Digital Findet Stadt die Weiterentwicklung der bestehenden BIM-Definitionen fortgesetzt – auf Basis des „ASI-Merkmalservers“, der in Kooperation mit der Universität Innsbruck im Jahr 2015 online ging.

Das Ziel ist es, eine offene Plattform zu schaffen, die kostenlos zugänglich ist und einheitliche Properties (Merkmale) für Produkte, Elemente und Gewerke im Bauprozess festlegt. Mit einer BIM-Bibliothek wird die Anwendung von BIM für alle – von der großen Baufirma zum kleinen Architekturbüro – einfacher.

Die Erfahrungen, Bedenken und Fortschritte wurden beim Virtuellen Baustammtisch am 7. April ausgetauscht und diskutiert.

 

BIM in Österreich

Architekt Peter Kompolschek war wesentlich an der Entwicklung von BIM beteiligt. Er betonte gleich zu Beginn der Diskussion, wie wichtig es war, früh Normen für die BIM-Bibliothek zu schaffen. Denn nur so seien die gleichen Grundvoraussetzungen für alle garantiert. „Es dauerte lange, bis sich der ASI-Merkmalserver in der Community durchgesetzt hat. Es war wichtig, mit der Normung alle Stakeholder ins Boot zu holen. Mittlerweile ist BIM etabliert und das Drumherum hat sich gut entwickelt. Jetzt liegt unser Fokus auf der gemeinsamen Sprache für alle, einem besseren Werkzeug für die Zukunft.“

Stefan Wagmeister von Austrian Standards plädierte für einen Schulterschluss der Baubranche und ein „Commitment“ zum ASI-Merkmalserver sowie den damit einhergehenden Ressourcen, dieses Arbeitspaket zu stemmen. Wichtig dabei: Eine Infrastruktur zu schaffen, die für alle nutzbar ist – kostenlos, offen und einfach. „Der ASI-Merkmalserver ist, und das soll auch so bleiben, integraler Bestandteil der ÖNORM A 6241-2. Dadurch ist sichergestellt, dass der Standard und die Inhalte des Servers gesichert, produktneutral und generisch sind“, betonte Wagmeister. Die Kernkompetenz von Austrian Standards liege darin, sowohl beim Qualitätsmanagement als auch in der Normung darauf zu achten, dass Qualität und Richtigkeit der Daten gegeben sind.

Digital findet Stadt ist die Nahtstelle zwischen Forschung und Wirtschaft. Durch eine enge Zusammenarbeit mit den beiden Parteien gestaltet das Unternehmen den digitalen Wandel und leistet damit einen wichtigen Beitrag, um Ressourcen-, Energie- und Kosteneffizienz in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu steigern.

Laut CEO Steffen Robbi müsse Digitalisierung eine neue Art von Projektkultur und Zusammenarbeit sein. Ziel sei es, schrittweise Anwendungsfälle zu notieren, vorausschauend zu agieren und dabei auch an die Kreislaufwirtschaft zu denken.

Gerhard Zucker vom AIT Austrian Institute of Technology ergänzte, dass auch weiterhin Projekt-Phasen und -Rollen definiert werden sollten. Also: wer liefert Produkte wann, wohin und in welcher Qualität? Nur so könnten Reibungsverluste bei einer Übergabe minimiert oder gar verhindert werden. Das AIT sei Spezialist für die zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft und sorge während des gesamten Projektablaufs für Neutralität. Das Institut übernimmt die Erstellung von Inhalten für die Befüllung des Merkmalservers und sorgt gemeinsam mit Digital findet Stadt für die Erstellung und Harmonisierung von Merkmalen, um die ÖNORM A 6241-2 für die österreichische Bauwirtschaft voll umfänglich nutzbar machen. 

 

Schwierige Anwendung in der Praxis

 Azra Dudakovic vom Studio for Information Design GmbH leitet Workshops für die Bestandsaufnahme von Unternehmen. Dabei lernen Teilnehmende, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um BIM umzusetzen. Sie erzählte, dass sie dabei – trotz zahlreicher internationaler Standards zum Thema BIM – noch keine vollständigen generellen Handlungsempfehlungen für BIM sehe. Daher werde oft noch projektbasiert und zu individuell gearbeitet. Sie setze daher viel Hoffnung in die BIM-Bibliothek.

Auch Architekt Agron Derella von AllesWirdGut wünscht sich Verbesserung und vertraut auf die BIM-Bibliothek. Die gemeinsame Sprache ist für ihn das A und O. Für ihn ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden essenziell „Gebäude sollen über viele Jahrzehnte bestehen und auch während und nach der Nutzung so wenige Ressourcen wie möglich verschwenden. Die Betreuung und Bewirtschaftung dieser Gebäude enden also nicht nach Fertigstellung.“

Thomas Hoppe von der Kammer der ZiviltechnikerInnen steht BIM und der BIM-Bibliothek mit gemischten Gefühlen gegenüber. Architektinnen und Architekten würden schon immer mit den neuesten Programmen arbeiten. „Der Druck, BIM zu verwenden, kommt nun stark von außen. Kleinere Büros arbeiten eher kreativ-flexibel und halten sich weniger an Strukturvorgaben als vielmehr an das, was sie als sinnvoll erachten.“ Er betonte, wie wichtig es sei, gerade diese Gruppe in die Entwicklung der BIM-Standardisierung und BIM-Bibliothek miteinzubeziehen.

Ähnlich kritisch sieht es auch Stefan Graf von Leyrer + Graf Baugesellschaft mbH. Obwohl er die Standardisierung wichtig findet, sind Bauprozesse für ihn zu komplex, um schon jetzt vorherzusehen, ob BIM die einzig wahre Lösung für alle ist. „Systembedingt ist es für mich ein Blindflug, weil wir uns mitten in der Entwicklungsphase befinden. Erst die kommenden Wochen und Monate werden Lösungen und Ergebnisse zeigen.“ Die Kunst liegt für ihn darin, eine Abgrenzung zwischen Standards und Freiheiten zu finden. Dennoch begrüßt er den Schritt in die digitale Welt, sofern die Individualität nicht auf der Strecke bleibt.

Als Softwareentwicklerin für Architektur und Bauwesen plädiert Monika Ilg, ib-Data GmbH, für mehr Geduld. In der Digitalisierung von Bauprozessen sei BIM bereits etabliert, anders sehe es aus, wenn man sich Infos aus dem System beschaffen möchte. „Hier müssen Softwareunternehmen die Schnittstelle zwischen Planung und Ausführung noch optimieren. Mit Open BIM sind wir aber auf einem guten Weg." Das einheitliche, offene Dateiformat garantiere einen softwareunabhängigen Datenaustausch.

 

Chancen erkennen

 Wolfgang Rauth von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ist sich des Aufwands von BIM bewusst, setzt aber große Hoffnungen hinein. Es müsse früh definiert werden, welche Daten für wen relevant wären. Nur so könne man vorausschauend Kosten planen. Auch wenn das zu Beginn einen Mehraufwand bedeute, sei dieser Schritt unumgänglich. Im Nachhinein würde man damit immer einen Mehrwert erzielen.

Dem stimmte Otto Handle von der Inndata Datentechnik Innsbruck zu und ergänzte: „Informationen müssen über den gesamten Projektzyklus transportiert und einsehbar sein. Nur wegen Prozessfehlern in der Bauphase entstehen sehr oft 15% an Mehrkosten. Es sollte nicht 100 Parameter geben, sondern im Idealfall nur einen, auf den alle zugreifen. Auch der Austausch mit Deutschland ist wichtig, vor allem in Bezug auf Baustoffe. Mir geht es darum, mit der Technologie auf einen Blick zu erkennen, ob ein Baustoff zur Planung passt.“

 

Fazit des ersten Baustammtisches

 Der erste Baustammtisch zeigte, dass Standards wichtig sind, um BIM weiterzuentwickeln zu können. Die „BIM Properties“ können aber nicht ausschließlich in den Komitees bei Austrian Standards entwickelt werden. Dafür ist die Aufgabenstellung zu komplex und der Arbeitsaufwand zu groß. Zudem ist es wichtig, die Grenzen der BIM-Technologien zu erkennen.

Innerhalb der Diskussionsrunde bestand Klarheit darüber, dass es keine sofortige Lösung geben kann, sondern die BIM-Bibliothek Schritt für Schritt aufgebaut werden muss. So kann behutsam ein System geschaffen werden, mit dem alle arbeiten können. Damit bei Bauprojekten auch in der digitalen Welt zukünftig eine „gemeinsame Sprache“ gesprochen wird.

Trotzdem betonte Stefan Wagmeister von Austrian Standards während der Veranstaltung, dass dieses Projekt (DFS, AIT und A.S.I.) nicht die einzige Möglichkeit sei, den Merkmalserver inhaltlich voranzubringen. Man müsse hierbei auch die wertvollen Ergebnisse aus der Forschung (Stichwort: TU Graz „Metha TGA“) sowie Firmenstandards, die gerade entstehen, einbeziehen. Dieses ganzheitliche Wissen sowie Praxiserfahrungen solle in die Standardisierung miteinfließen, um zügig voranzukommen. Am Ende käme es einfach darauf an, für alle Planer, Ausführende und Betreiber – egal, ob Großunternehmen, KMU oder EPU – den größtmöglichen Nutzen zu erzielen.

 

Der Baustammtisch wurde aufgezeichnet – hier geht es zum Video.

 

Mehr zum Thema:

Auf dem Weg zur BIM-Bibliothek: Server, Properties und die Zukunft am Bau

 

In den Medien:

 

Mehr zum Dialogforum Bau Österreich:

www.dialogforumbau.at