Verleihung des Living Standards Awards 2022: Fünf Auszeichnungen für bedeutende Innovations- und Standardisierungs-Projekte aus Österreich
Am 19. Mai 2022 wurde in Wien zum achten Mal der Living Standards Award verliehen. Österreichs bedeutendster Preis für Standardisierung und Innovation ging heuer an Projekte aus dem Gesundheits- und Technologiesektor: Insgesamt fünf Preisträger – CNSystems Medizintechnik GmbH, ELGA GmbH, Montanuniversität Leoben, Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und Viewpointsystem GmbH – durften die begehrte Trophäe mit nach Hause nehmen.
Gestern fand bei Austrian Standards die Verleihung des Living Standards Awards statt. Seit 2015 verfolgt der Preis das Ziel, den oft versteckten Erfolgsgeschichten rund um die Entwicklung und Anwendung von Standards Sichtbarkeit zu verleihen. Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, dem Start-up-Bereich und der Verwaltung waren bei der virtuellen Zeremonie anwesend. Über 30 Einreichungen zeigten nicht nur die ungebrochene Innovationskraft Österreichs, sondern verdeutlichten auch die – oft unbemerkte – Rolle, die Standards dabei spielen.
Die neue CEO von Austrian Standards, Dr. Valerie Höllinger, dazu: „Ich bin begeistert von den neuen Projekten und Ideen. Die Herausforderungen der Zukunft verlangen smarte Lösungen und kluge Köpfe – wie sich zeigt, findet sich beides in der Standardisierung. Standards können Innovationstreiber sein und unseren Alltag verbessern – deshalb will ich gerade junge Unternehmen ermutigen, den wertvollen Beitrag, den Standards für ihr Geschäft leisten können, stärker zu nutzen.“
Auch der im September neu angetretene Präsident von Austrian Standards International, DDr. Anton Ofner, unterstreicht den Wert von Standards: „Aus meiner Erfahrung als Unternehmer kenne ich den praktischen Nutzen von Standards sehr gut. Sie helfen nicht nur Aufwand und Entwicklungszeit zu sparen, sondern liefern entscheidende Inputs, damit Produkte nicht am Markt vorbei entwickelt werden. Aus meiner Sicht sind die heimischen Forschungs- und Wirtschaftstreibenden sehr gut beraten, sich noch mehr in der Standardisierung zu engagieren.“
Die ausgezeichneten Leistungen der „Living Standards Award“-Preisträger wurden auch durch Umweltministerin Leonore Gewessler gewürdigt. Die Ministerin meldete sich mit einer Grußbotschaft zu Wort und unterstrich die Bedeutung von Standards für Österreichs Wirtschaft und deren Beitrag zum Durchbruch von Zukunftslösungen. „Standards schaffen Umweltstandards“, so Gewessler.
Schlüsselrolle von Standards – Auszeichnung mit Fokus auf innovativen Lösungen, Erschließung internationaler Märkte und Zukunftstechnologien
Standards entstehen durch das Praxiswissen von Expertinnen und Experten. Allein in Österreich sind rund 4.450 Fachleute an der Entwicklung von Standards beteiligt. Der Living Standards Award hat das Ziel, die außergewöhnlichen Leistungen vor den Vorhang zu holen, die mit Standards entstehen.Der Preis wurde dieses Jahr in den Kategorien „Developing Future Technology“, „Reaching International Markets“, „Enabling Solutions“ und „IEEE Standards“ verliehen. Insgesamt schafften es 16 Einreichungen auf die Shortlist, wobei fünf davon sich über den großen Preis freuen durften.
Living Standards Award 2022 – die Preisträger
Kategorie „Developing Future Technology“: Massentaugliche Datenbrillen durch Eye-Tracking
Datenbrillen mit den Augen bedienen? Die Viewpointsystem GmbH aus Wien bietet mit Digital Iris Inside – einer All-in-One-Modulserie – erstmals eine standardisierte und sofort einsatzbereite Eye-Tracking-Technologie. Das erste Miniatur-Augensensormodul ESM 22 ist als einrastender Nasenflügel konzipiert. Es kann nahezu unsichtbar in bestehende Brillen (Virtual und Augmented Reality) integriert werden. Dadurch eröffnen sich neue, intuitive und nutzerfreundlichere Steuerungsformen für Smart Glasses.
Der Nutzen: Die Smart Glasses sollen die Zusammenarbeit auf Distanz erleichtern. So kann eine Person eine andere, die sich tausende von Kilometern entfernt befindet, bei sensiblen Arbeiten und Arbeitsschritten anleiten oder diese mit den empfangenen Augendaten führen. Dank Eye Tracking wird erkannt, wo die Aufmerksamkeit der Brillenträger*in liegt und welche Informationen benötigt werden. Bei der Produktentwicklung wurden eine Vielzahl von Sicherheitsstandards berücksichtigt, darunter die EN 166 für den Augenschutz und die IEC 62471 zum Schutz vor LED-Licht im Augenbereich.
Kategorie „Reaching International Markets“: Nicht-invasive, kontinuierliche Überwachung des Blutdrucks
Auf der Intensivstation oder bei einer Not-OP ist mitunter eine invasive, kontinuierliche Blutdruckmessung in einer Arterie notwendig. Diese Methode ist aufwändig, birgt Infektionsrisiken und ist sehr schmerzhaft. Die CNSystems Medizintechnik GmbH hat die medizinische Herausforderung der kontinuierlichen und nicht-invasiven Messung des Blutdrucks vor langer Zeit erkannt. Nicht-invasiv bedeutet, dass keine Nadeln oder Leitungen in den Körper eingeführt werden müssen und die Überwachung, Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten verbessert werden können. Für die maßgebliche Mitentwicklung des internationalen Standards ISO 81060-3 „Continuous non-invasive sphygmomanometers“ wurde die CNSystems Medizintechnik GmbH nun ausgezeichnet.
Der Nutzen: Der Standard verbessert nicht nur die Untersuchung medizinischer Geräte. Durch ihn können auch neue Methoden und Kriterien eingeführt werden, die es ermöglichen, die Leistung von kontinuierlichen, nicht-invasiven Blutdruckmessgeräten zu untersuchen und zu bewerten. Dadurch werden Komplikationen erheblich reduziert und Krankenhausaufenthalte für Patientinnen und Patienten verkürzt.
Kategorie „Enabling Solutions“: Medizinprodukt-Testung ohne Tierleid
Tierversuche ade? Mit dem Projekt „Biorelation“ hat das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI), Mitglied der ACR, das Ziel verfolgt, eine validierte In-vitro-Screening-Methode zu entwickeln. Diese dient der Bewertung von sensibilisierenden und reizenden Eigenschaften bei Medizinprodukten und wird jetzt auch als anerkannte Alternative zu Tierversuchen in der ISO 10993 geführt.
Der Nutzen: Durch die In-vitro-Methode (Im-Glas-Methode) müssen keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. Stattdessen verwenden Dr. Elisabeth Mertl und ihr Team im Labor Zellmodelle, um auf Hautreizungen und Hautsensibilisierungen zu testen. Da diese Tests bereits in einem früheren Produktentwicklungsstadium durchgeführt werden können, helfen sie bei Produktoptimierungen und sind schneller als Tierversuche. Unter anderen hat das Projekt „Biorelation“ zur Weiterentwicklung des internationalen Standards ISO 10993 „Biological evaluation of medical devices“ beigetragen: Die entwickelten Testmethoden sind als anerkannte Alternative zu Tierversuchen im neuen ISO-Standard verankert.
Kategorie „Developing Future Technology“: Konsistente Berechnung des stofflich verwertbaren Anteils von Ersatzbrennstoffen
Energie und Rohstoff aus Müll? Im Rahmen des Projekts „ReWaste4.0“ hat die Montanuniversität Leoben in Kooperation mit Zementindustrie und Ersatzbrennstoffherstellern eine Methode zur Berechnung der stofflich verwertbaren Anteile von Ersatzbrennstoffen erarbeitet. Das Ausgangsmaterial dafür: Abfälle. Genauer gesagt, gemischte Siedlungs- und Gewerbeabfälle. Die Forschungsergebnisse der Universität führten zur Entwicklung eines neuen internationalen Standards für das Recycling von Ersatzbrennstoffen im sogenannten Co-Processing.
Zur Erklärung: Beim Co-Processing wird der Abfall-Ersatzbrennstoff gleichzeitig als Rohstoff und als Energiequelle verwendet, um natürliche Bodenschätze und fossile Brennstoffe wie Kohle in industriellen Prozessen zu ersetzen. Die von der Montanuniversität Leoben mitentwickelte ISO/AWI 4349 „Solid recovered fuels – Determination of the Recycling-Index for Co-Processing“ soll 2024 veröffentlicht werden.
Der Nutzen: Der Standard hilft zu berechnen, wieviel Prozent eines Ersatzbrennstoffs stofflich verwertet werden kann. Die Methodik legt den Grundstein für eine mögliche Anerkennung des stofflich recyclebaren Anteils beim Co-Processing von Ersatzbrennstoffen durch die Europäische Union und für die Recyclingziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets. Dadurch können Treibhausgase reduziert, Abfälle besser genutzt/eingesetzt, Kosten gespart, regionale Wertschöpfungsketten optimiert und die nachhaltige Zementproduktion forciert werden.
Kategorie „IEEE Standards“: Telemonitoring Episodenbericht für strukturierte Behandlungsprogramme im Gesundheitsbereich
Mit dem „Telemonitoring Episodenbericht“ hat die ELGA GmbH die Datenweiterverwendung von Telehealth-Systemen revolutioniert. Patientinnen und Patienten können über bestehende Systeme, wie z. B. den HerzMobil-Systemen, Messwerte wie Körpergewicht, Blutzucker, Blutdruck oder Medikations-Einnahme-Daten nun in der ELGA speichern. Der „Telemonitoring Episodenbericht“ schafft eine neue Schnittstelle für die österreichische eHealth-Umgebung. Für die Umsetzung hat u. a. die IEEE-Standard-Serie 11073 „Service-Oriented Device Connectivity“ mitgeholfen.
Der Nutzen: Der Bericht verbessert z. B. strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Erkrankte. Gesundheitsanbieter (GDA) können zentral auf Gesundheitsdaten zugreifen, Patientinnen und Patienten haben die volle Transparenz über ELGA. Die ELGA GmbH und die Projektpartner wurden in der Partnerkategorie „IEEE Standards“ ausgezeichnet. IEEE ist die größte technische Berufsorganisation von Ingenieuren und Wissenschaftern in der Elektrotechnik und Elektronik – mit mehr als 400.000 Mitgliedern.
Hier geht es zu den Videos der Living Standards Award-Preisträger 2022.
Bilder zum Download
UT Gruppenfoto: Die Preisträgerinnen und Preisträger des Living Standards Award 2022: CNSystems Medizintechnik GmbH, Elektronische Gesundheitsakte (ELGA), Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI), Montanuniversität Leoben und Viewpointsystem mit DDr. Anton Ofner, Präsident von Austrian Standards.
© Inge Funke